Der Eigenbedarf ist einer der wenigen gesetzlich anerkannten Gründe, die einem Vermieter das Recht geben, ein laufendes Mietverhältnis zu kündigen. Er greift, wenn der Vermieter die Wohnung für sich selbst, für nahe Angehörige oder – in bestimmten Fällen – für haushaltsnahe Personen benötigt. Die Eigenbedarfskündigung ist in Deutschland ein häufig angewandtes, aber auch stark umstrittenes Instrument des Mietrechts. Während Vermieter damit ihr Eigentum für eigene Zwecke nutzen können, stellt es für Mieter oft eine erhebliche Belastung dar, da sie trotz ordnungsgemäß gezahlter Miete ihre Wohnung verlieren können. Um Missbrauch zu verhindern, stellt das Gesetz hohe Anforderungen an die Begründung einer Eigenbedarfskündigung.
Rechtliche Grundlage
Die Möglichkeit einer Kündigung wegen Eigenbedarf ergibt sich aus § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Danach kann ein Vermieter kündigen, wenn er die vermietete Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Mitglieder seines Haushalts benötigt. Dazu zählen unter anderem:
- der Vermieter selbst,
- seine Kinder, Eltern, Geschwister, Enkel,
- Schwiegereltern oder Schwiegerkinder,
- Pflegepersonal oder Lebenspartner, die mit im Haushalt leben.
Für entferntere Verwandte (z. B. Cousins, Onkel, Tanten) reicht Eigenbedarf in der Regel nicht aus, es sei denn, es liegt eine besonders enge persönliche Bindung vor.
Form und Begründung der Eigenbedarfskündigung
Eine Kündigung wegen Eigenbedarf muss schriftlich erfolgen und eine ausführliche Begründung enthalten. Der Vermieter muss darlegen:
- für wen die Wohnung benötigt wird,
- welche persönlichen Gründe den Bedarf rechtfertigen (z. B. berufliche Nähe, gesundheitliche Einschränkungen, Familienzuwachs),
- warum gerade diese Wohnung benötigt wird.
Pauschale Formulierungen wie „die Wohnung wird für Angehörige benötigt“ sind nicht ausreichend. Die Begründung muss so konkret sein, dass der Mieter die Rechtmäßigkeit prüfen kann.
Kündigungsfristen
Die gesetzlichen Kündigungsfristen für den Vermieter richten sich nach der Dauer des Mietverhältnisses (§ 573c BGB):
- bis 5 Jahre Mietdauer: 3 Monate Kündigungsfrist,
- 5 bis 8 Jahre Mietdauer: 6 Monate Kündigungsfrist,
- über 8 Jahre Mietdauer: 9 Monate Kündigungsfrist.
Die Frist beginnt mit Zugang des Kündigungsschreibens beim Mieter.
Widerspruchsrecht des Mieters
Mieter haben das Recht, einer Eigenbedarfskündigung zu widersprechen (§ 574 BGB), wenn die Kündigung für sie eine besondere Härte darstellen würde. Gründe können sein:
- hohes Alter oder Krankheit,
- lange Wohndauer und Verwurzelung im sozialen Umfeld,
- fehlende Alternativwohnungen in der Umgebung.
In solchen Fällen kann ein Gericht entscheiden, dass das Mietverhältnis trotz Eigenbedarfskündigung vorerst fortgesetzt werden muss.
Missbrauch und vorgetäuschter Eigenbedarf
Besonders problematisch ist der Missbrauch des Eigenbedarfs. Stellt sich nachträglich heraus, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben war, kann der Mieter Schadensersatz verlangen. Dazu gehören Umzugskosten, höhere Mietkosten für eine neue Wohnung und weitere Nachteile. Gerichte prüfen daher im Streitfall sehr genau, ob die Begründung plausibel war und ob der Eigenbedarf tatsächlich bestand.
Praxisbeispiel
Ein Vermieter kündigt seinem Mieter mit der Begründung, dass seine Tochter die Wohnung benötigt, da sie in der Nähe der Universität studiert. Diese Begründung ist grundsätzlich zulässig, solange sie ausreichend dargelegt wird. Zieht die Tochter jedoch gar nicht ein, sondern wird die Wohnung neu vermietet, kann der ehemalige Mieter Schadensersatz einklagen.
Bedeutung für Mieter und Vermieter
Für Vermieter ist die Eigenbedarfskündigung ein wichtiges Instrument, um ihr Eigentum flexibel nutzen zu können. Sie müssen jedoch die gesetzlichen Vorgaben strikt einhalten, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Für Mieter bedeutet die Eigenbedarfskündigung Unsicherheit und mögliche Wohnungsverluste, sie haben jedoch Schutzrechte wie das Widerspruchsrecht. Beide Seiten sollten sich daher im Streitfall rechtlich beraten lassen.
Fazit
Der Eigenbedarf ist ein anerkannter, aber streng regulierter Kündigungsgrund. Vermieter müssen konkrete und nachvollziehbare Gründe darlegen, während Mieter sich mit Kündigungsfristen und Widerspruchsrechten schützen können. Missbrauch durch vorgetäuschten Eigenbedarf kann teuer werden und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Wer eine Eigenbedarfskündigung ausspricht oder erhält, sollte die rechtlichen Rahmenbedingungen genau kennen und sorgfältig prüfen.





