Die Räum- und Streupflicht ist ein zentrales Element der sogenannten Verkehrssicherungspflicht für Grundstückseigentümer. Sie verpflichtet dazu, im Winter Gehwege und Zufahrten vor dem Grundstück von Schnee und Eis zu befreien, um Passanten, Postboten oder Besucher vor Unfällen zu schützen. Diese Pflicht betrifft sowohl private Eigentümer als auch Vermieter und kann – unter bestimmten Voraussetzungen – vertraglich auf den Mieter übertragen werden.
Was bedeutet Räum- und Streupflicht genau?
Die Räum- und Streupflicht verpflichtet Grundstückseigentümer, dafür zu sorgen, dass öffentliche Gehwege und private Zuwege zu ihrem Grundstück gefahrlos begehbar sind. Ziel ist es, Unfälle durch Rutschgefahr zu vermeiden.
Die rechtliche Grundlage ergibt sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB) sowie aus kommunalen Satzungen der Städte und Gemeinden. In den meisten Kommunen ist die Pflicht ausdrücklich in der Straßenreinigungssatzung geregelt – dort wird festgelegt, wann, wie oft und in welchem Umfang Schnee geräumt und gestreut werden muss.
Konkret bedeutet das: Schnee ist zu räumen, sobald eine erhebliche Behinderung oder Gefährdung besteht, und Glätte muss durch geeignete Mittel wie Sand, Splitt oder Streusalz (sofern erlaubt) beseitigt werden.
Wer ist zur Räum- und Streupflicht verpflichtet?
Grundsätzlich trifft die Räum- und Streupflicht den Eigentümer des Grundstücks. Er ist verantwortlich dafür, dass die Wege, die an sein Grundstück angrenzen, im Winter sicher begehbar sind. Dazu gehören:
- öffentliche Gehwege entlang der Grundstücksgrenze,
- private Zugänge, Einfahrten und Hauseingänge,
- Treppenanlagen und Zuwege auf dem Grundstück selbst.
In der Praxis übertragen viele Gemeinden die Pflicht über Satzung auf die Anlieger – also auf Grundstückseigentümer und Vermieter. Diese können wiederum im Mietvertrag festlegen, dass der Mieter den Winterdienst übernimmt. Eine solche Übertragung muss jedoch klar und eindeutig vereinbart sein, etwa im Mietvertrag oder in der Hausordnung.
Auch Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) müssen sicherstellen, dass die Räum- und Streupflicht erfüllt wird – entweder durch die Eigentümer selbst, durch einen beauftragten Dienstleister oder durch einen Hausmeisterservice.
Wann und wie oft muss geräumt und gestreut werden?
Die genauen Zeiten können je nach Gemeinde leicht variieren, orientieren sich aber in der Regel an allgemein anerkannten Richtwerten.
Werktags: Schnee und Glätte müssen zwischen 7 Uhr morgens und 20 Uhr abends beseitigt werden.
Sonn- und Feiertags: Der Winterdienst beginnt meist eine Stunde später, also gegen 8 oder 9 Uhr, und endet ebenfalls gegen 20 Uhr.
Wird während des Tages erneut Schnee oder Glätte festgestellt, muss nachgeräumt oder nachgestreut werden. Es genügt also nicht, einmal morgens den Gehweg zu räumen, wenn im Laufe des Tages wieder Schnee fällt.
Die Pflicht endet erst, wenn keine ernsthafte Gefahr mehr besteht – etwa bei Tauwetter oder nach Einbruch der Nacht, wenn kein üblicher Fußgängerverkehr mehr zu erwarten ist.
Wie breit muss der Gehweg geräumt werden?
Auch die Breite der zu räumenden Fläche ist kommunal geregelt. In den meisten Städten und Gemeinden muss der Gehweg so breit sein, dass zwei Personen aneinander vorbeigehen können – in der Regel also mindestens 1 bis 1,20 Meter.
Bei sehr schmalen Gehwegen genügt es, eine begehbare Spur freizuhalten. Auch Treppen, Hauseingänge und Zugangswege zu Mülltonnen oder Briefkästen müssen geräumt und gestreut sein, da sie regelmäßig genutzt werden.
Welche Streumittel sind erlaubt?
Nicht überall ist das Streuen mit Salz erlaubt. Viele Gemeinden verbieten den Einsatz von Streusalz aus Umweltschutzgründen oder gestatten ihn nur in Ausnahmefällen – etwa bei extremer Glätte oder Gefahrenstellen (z. B. Rampen, Treppen).
Stattdessen sollten umweltfreundlichere Materialien wie Splitt, Sand, Granulat oder Lavaasche verwendet werden. Diese Mittel erhöhen die Griffigkeit der Oberfläche, ohne Pflanzen, Tiere oder das Grundwasser zu belasten.
Nach Ende des Winters müssen die Streumittel wieder entfernt werden, um Verstopfungen von Abflüssen und Verschmutzungen zu vermeiden.
Räum- und Streupflicht im Mietverhältnis
In Mietshäusern wird die Räum- und Streupflicht häufig auf die Mieter übertragen. Dies geschieht meist über den Mietvertrag oder die Hausordnung. Eine solche Übertragung ist grundsätzlich zulässig, solange sie klar geregelt und für den Mieter zumutbar ist.
Fehlt eine eindeutige Regelung, bleibt die Pflicht beim Vermieter. Auch wenn der Mieter verantwortlich ist, trägt der Vermieter die Überwachungspflicht: Er muss regelmäßig kontrollieren, ob der Winterdienst tatsächlich durchgeführt wird.
Oft beauftragen Vermieter auch externe Winterdienste – deren Kosten können anteilig als Betriebskosten auf die Mieter umgelegt werden (§ 2 Nr. 8 BetrKV).
Haftung bei Vernachlässigung
Kommt es durch unzureichendes Räumen oder Streuen zu einem Unfall, kann der Eigentümer oder der beauftragte Mieter haftbar gemacht werden. Nach § 823 BGB haftet derjenige, der seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch eine andere Person zu Schaden kommen lässt.
Das kann im Ernstfall teuer werden: Behandlungskosten, Verdienstausfall oder Schmerzensgeld können schnell hohe Summen erreichen. Deshalb sollte jeder Eigentümer oder Mieter eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung abschließen, die solche Schäden abdeckt.
Räum- und Streupflicht bei Eigentümergemeinschaften (WEG)
In Mehrparteienhäusern oder Wohnanlagen liegt die Verantwortung beim Verwalter oder bei der Gemeinschaft. Die Eigentümerversammlung kann beschließen, den Winterdienst an einen Dienstleister zu vergeben oder intern zu organisieren.
Wird ein Eigentümer oder Bewohner ausdrücklich mit dem Winterdienst beauftragt, sollte dies protokolliert und vertraglich abgesichert werden. Bei Unfällen prüft die Versicherung, ob die Pflicht ordnungsgemäß erfüllt wurde.
Besondere Fälle – Zufahrten, Parkplätze, Privatwege
Auch private Flächen, die regelmäßig von Dritten genutzt werden, unterliegen der Räum- und Streupflicht. Dazu zählen etwa:
- Zuwege zu Garagen oder Mülltonnen,
- Parkplätze, wenn sie öffentlich oder gemeinschaftlich genutzt werden,
- Privatstraßen, über die regelmäßig Besucher oder Lieferanten fahren.
Nur rein private Wege, die ausschließlich vom Eigentümer genutzt werden, müssen nicht zwingend geräumt werden – hier gilt die Eigenverantwortung.
Praktische Tipps für die Erfüllung der Pflicht
Wer seiner Räum- und Streupflicht zuverlässig nachkommen möchte, sollte einige praktische Grundregeln beachten:
- Rechtzeitig vor Arbeitsbeginn räumen – werktags ab 7 Uhr, sonntags ab 8 oder 9 Uhr.
- Bei erneutem Schneefall mehrfach nachräumen.
- Nur erlaubte Streumittel verwenden (kein Salz ohne Ausnahmegenehmigung).
- Bei längerer Abwesenheit Vertretung organisieren (Nachbar, Dienstleister).
- Streumittelvorrat und Schneeschaufel bereithalten.
Fazit: Pflicht mit Verantwortung
Die Räum- und Streupflicht ist mehr als eine lästige Winteraufgabe – sie ist Teil der rechtlichen Verantwortung jedes Grundstückseigentümers und Mieters. Sie dient der Sicherheit und verhindert Unfälle auf vereisten Wegen.
Wer regelmäßig und sorgfältig räumt, schützt nicht nur Passanten, sondern auch sich selbst vor Haftungsrisiken. Eine klare Aufgabenverteilung, regelmäßige Kontrolle und ausreichender Versicherungsschutz sorgen dafür, dass der Winterdienst reibungslos und rechtssicher abläuft – für sichere Wege und ein gutes nachbarschaftliches Miteinander.





