Der Bewertungsfaktor, auch Vervielfältiger genannt, ist eine zentrale Kennzahl bei der Immobilienbewertung im Rahmen des Ertragswertverfahrens. Mit seiner Hilfe wird der zukünftige Ertrag einer Immobilie auf den heutigen Zeitpunkt abgezinst und damit der Ertragswert ermittelt. Der Bewertungsfaktor ergibt sich aus der Restnutzungsdauer des Gebäudes sowie dem Liegenschaftszins – also der marktüblichen Verzinsung für vergleichbare Immobilien. Multipliziert man den jährlichen Reinertrag einer Immobilie mit dem Bewertungsfaktor, erhält man den kapitalisierten Wert. Je niedriger der Liegenschaftszins, desto höher fällt der Faktor aus, und umgekehrt.
Grundlagen des Bewertungsfaktors
Der Bewertungsfaktor dient dazu, künftige Erträge einer Immobilie über die Restnutzungsdauer hinweg auf den heutigen Zeitpunkt zu berechnen. Dabei handelt es sich um eine finanzmathematische Abzinsung, vergleichbar mit der Barwertmethode bei Investitionsrechnungen. Grundlage sind:
- Restnutzungsdauer: Zeitraum, in dem die Immobilie wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden kann.
- Liegenschaftszins: vom Gutachterausschuss festgelegter Zinssatz, der die Renditeerwartungen am Markt widerspiegelt.
Der Faktor zeigt also, wie oft der Reinertrag „im Wert enthalten“ ist. Ein Faktor von 25 bedeutet beispielsweise, dass der jährliche Reinertrag 25-mal im Ertragswert berücksichtigt wird.
Berechnung des Bewertungsfaktors
Die Formel für den Bewertungsfaktor lautet:
Bewertungsfaktor = (1 – (1 + i)-n) / i
wobei i der Liegenschaftszins und n die Restnutzungsdauer ist.
Beispiel: Beträgt der Liegenschaftszins 3 % und die Restnutzungsdauer 33 Jahre, ergibt sich ein Bewertungsfaktor von ca. 21,6. Bei einem Zinssatz von nur 2 % steigt der Faktor deutlich an, während ein Zinssatz von 5 % den Faktor erheblich reduziert.
Bedeutung im Ertragswertverfahren
Im Ertragswertverfahren werden zwei Komponenten unterschieden:
- Bodenwert: Wert des Grundstücks, der unabhängig vom Gebäude ist.
- Gebäudewert: ergibt sich aus Reinertrag × Bewertungsfaktor.
Der Bewertungsfaktor wirkt also direkt auf den Gebäudewert und damit auf den Gesamtertragswert der Immobilie. Je höher der Faktor, desto größer der Wertbeitrag des Gebäudes.
Einfluss des Liegenschaftszinses
Der Liegenschaftszins ist die Stellschraube für den Bewertungsfaktor:
- Niedriger Zins: z. B. 3 % → hoher Bewertungsfaktor (~33) → hohe Immobilienwerte.
- Hoher Zins: z. B. 6 % → niedriger Bewertungsfaktor (~15) → niedrigere Immobilienwerte.
Damit spiegelt der Bewertungsfaktor die Renditeerwartungen am Immobilienmarkt wider: Niedrige Zinsen erhöhen die Kaufpreise, während steigende Zinsen dämpfend wirken.
Praxisbeispiel
Eine vermietete Wohnimmobilie erzielt einen jährlichen Reinertrag von 50.000 Euro. Bei einem Liegenschaftszins von 4 % und einer Restnutzungsdauer von 30 Jahren beträgt der Bewertungsfaktor 17,3. Multipliziert man den Reinertrag mit dem Faktor, ergibt sich ein Gebäudewert von rund 865.000 Euro. Hinzu kommt der Bodenwert, um den gesamten Ertragswert zu bestimmen.
Abgrenzung zu anderen Bewertungsmethoden
Der Bewertungsfaktor ist spezifisch für das Ertragswertverfahren. Im Vergleich dazu:
- Vergleichswertverfahren: richtet sich nach tatsächlich erzielten Kaufpreisen ähnlicher Objekte.
- Sachwertverfahren: basiert auf Herstellungs- bzw. Wiederbeschaffungskosten abzüglich Alterswertminderung.
Der Bewertungsfaktor hat den Vorteil, dass er marktbezogen und dynamisch ist, da er den Kapitalmarktzins widerspiegelt.
Bedeutung für Investoren und Eigentümer
Für Investoren ist der Bewertungsfaktor eine wichtige Kennzahl, um Immobilienpreise einzuordnen und Renditen zu vergleichen. Eigentümer können anhand des Faktors erkennen, wie attraktiv ihre Immobilie am Markt eingeschätzt wird. Banken und Gutachter nutzen ihn standardisiert in Verkehrswertgutachten.
Fazit
Der Bewertungsfaktor ist eine Schlüsselfigur in der Immobilienbewertung nach dem Ertragswertverfahren. Er zeigt, wie stark sich der Reinertrag einer Immobilie auf deren Wert auswirkt, abhängig von Restnutzungsdauer und Liegenschaftszins. Niedrige Zinsen führen zu hohen Faktoren und damit zu höheren Werten, hohe Zinsen senken den Faktor. Für Investoren, Eigentümer und Banken ist der Bewertungsfaktor daher eine zentrale Rechengröße bei Kauf, Finanzierung und Wertermittlung.





